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Lama Anagarika Govinda (1898-1985), geboren in Deutschland als Ernst Lothar Hoffmann, war ein Wahrheitssucher, der über das Studium der Werke Arthur Schopenhauers den Weg zum Buddhismus fand und dann zu einem der bedeutendsten Buddhisten des Abendlandes wurde. Insofern ist er mit Georg Grimm, dem Gründer der Altbuddhistischen Gemeinde, der ebenfalls über Arthur Schopenhauer zum Buddhismus kam, vergleichbar. (1)   

In seinem autobiographischen Werk Der Weg der weissen Wolken schrieb Lama Anagarika Govinda, dass er sich in seiner Jugend gemäß der Familientradition dem Bergbau widmen wollte.

“Als ich jedoch etwas älter wurde, entdeckte ich, dass ich mich nicht so sehr für die Tiefen der Erde als für die Tiefen des Geistes interessierte, und so wandte ich mich vom Studium der Naturwissenschaften zum Studium der Philosophie.

Da aber Philosophie für mich gleichbedeutend war mit Wahrheitsforschung, war ich weniger an philosophischen Systemen, d. h. an akademischen Definitionen philosophischer Gedanken interessiert, als an ihren religiösen Ausdrucksformen und Verwirklichungsmöglichkeiten. Ich war tief beeindruckt von Platos Dialogen, die mich sowohl durch ihre dichterische Schönheit wie durch ihre religiöse Haltung ansprachen.

Unter den modernen Philosophen hatte Schopenhauer großen Einfluß auf mich, und das Studium seiner Werke führte mich zu den christlichen Mystikern, sowie zu den Upanischaden und zum Buddhismus.      

Im Alter von achtzehn Jahren begann ich, eine vergleichende Studie der drei Weltreligionen, Christentum, Islam und Buddhismus, zu schreiben, um mir selbst klar zu werden und meine eigene Religion zu bestimmen, denn es schien mir nicht sinnvoll, unbesehen einen Glauben zu akzeptieren, nur weil meine Vorfahren ihm angehangen hatten oder weil er von der Gesellschaft, in der ich lebte, für selbstverständlich gehalten wurde. Religion war für mich eine Angelegenheit der Überzeugung und nicht bloß eine Sache des Glaubens oder der Konvention; und um überzeugt zu werden, mußte ich wissen.

Um die Wahrheitsansprüche dieser drei Religionen zu prüfen und herauszufinden, welche von ihnen mich von ihrer Wahrheit am tiefsten überzeugen könne, begann ich, mich in ihre Lehren zu vertiefen. Da mir aber bald schien, daß der Islam keine wesentlich neuen Ideen zu der gemeinsamen Tradition des Judentums und des Christentums hinzufügte, schied er bald aus dem Wettbewerb aus, und nur Christentum und Buddhismus behielten das Feld.

Beim Beginn meiner Studien war  ich mehr oder weniger von der Überlegenheit des Christentums (wenn auch nicht der christlichen ´Kirche`) überzeugt. Je weiter ich jedoch in meinen Studien fortschritt, desto mehr fand ich mich in Übereinstimmung mit dem Buddhismus - bis es mir endlich klar wurde, daß der Buddhismus die einzige Religion war, der ich mit voller Überzeugung folgen konnte.” (2)

Einen wesentlichen Grund für  diesen sehr bemerkenswerten Wechsel  vom Christentum zum Buddhismus nannte ein sehr enger Anhänger Govindas (Advayavajra) im Vorwort zu Govindas Buch Buddhistische Reflexionen: “In seiner Kindheit und Jugend durch Familie und Schule in europäischer Kultur erzogen. war er [Govinda] - wie er selber  1919 als Einundzwanzigjähriger schrieb - zunächst ´ein begeisterter Anhänger des Christentums`, von dem er sich aber bald in einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Gottesbegriff abwandte, um im Buddhismus seine ihm gemäße religiöse Erlebnisform zu finden.” (3) 

So war es unter anderem wohl  das christliche Gottesverständnis, dem Govinda nicht (mehr) folgen konnte, denn in seinen Buddhistischen Reflexionen heißt es: “Anstelle eines selbstherrlich regierenden Gottes, der seine Gnade oder seinen Zorn an den von ihm geschaffenen Wesen ausläßt, ... zeigte der Buddha eine Gesetzmäßigkeit auf, die Makro- wie Mikrokosmos in gleicher Weise trägt, die den Menschen in seine individuelle Verantwortung stellt und die ihn - wenn richtig angewandt - zu vollen Entfaltung aller in ihm angelegten Kräfte befähigt.” (4)

Noch kurz vor seinem Tod konnte Govinda sein Buch Lebendiger Buddhismus im Abendland vollenden. In diesem Werk, das laut Vorwort als sein “Testament” gelten darf, wandte sich Govinda gegen “den Drang zur Bekehrung und Proselytenmacherei [aufdringliche Werbung für eine Religion]. Dieser Drang, der bisher nur den monotheistischen Religionen Vorderasiens [womit wohl nur Christentum und Islam gemeint sein können] eigen, der indischen wie fernöstlichen Religiösität jedoch fremd war, entsteht aus Machtstreben und oft aus geistiger Unsicherheit, die sich an der Anzahl Gleichgläubiger berauscht: Der einzelne fühlt sich in seinem Glauben um so mehr bestärkt, je mehr Menschen seinen Glauben teilen.”

Seine sehr deutliche Kritik am Missionsdrang der   im Abendland vorherrschenden “monotheistischen Religionen Vorderasiens” begründete Govinda im folgenden weiter und wies dabei - gleichsam als positives Gegenspiel - auf den Buddha hin:

“Wo hingegen eine Gewissheit besteht, die aus einer inneren Erfahrung resultiert, spielt es keine Rolle, wie viele Menschen sich zu ihm bekennen und wie viele ihn ablehnen. Denn wie kein Mensch Proselyten dafür machen muss, das zwei mal zwei gleich vier ist, und wie es noch keinen Missionar für Mathematik ... gegeben hat, so hielten die Weisen der Vergangenheit ihre Erkenntnisse für selbstevident und hatten es daher nicht nötig, ihre Weisheit zu propagieren. Sie teilten sie nur denjenigen mit, die sich ihrer Erkenntnis würdig erwiesen, die sie verstanden und nachvollziehen konnten und die willens waren, dafür unter Einsatz all ihrer Kräfte Opfer zu bringen.

Diese Menschen mußten nicht nur einen gewissen Grad der Reife, sondern auch der Unvereingenommenheit besitzen, das heißt, sie mußten Menschen sein, welche die nötigen Voraussetzungen mitbrachten, um sich innerlich zu öffnen, so das sie die Wirklichkeit dieser Erkenntnisse in sich selbst erleben und verwirklichen konnten, ohne irgendwelchen indoktrinierenden Suggestionen zum Opfer zu fallen.

Diese Haltung hat auch der Buddhismus von jeher eingenommen. Der Buddha selbst zeigte seine Lehre allen und sprach all jene an, die dafür Verständnis hatten, übte aber weder körperliche noch geistige Gewalt aus, um Menschen von der Wahrheit seiner Weltanschauung und der Richtigkeit seines Weges zu überzeugen. Er legte alles offen dar, und wer kam, war willkommen. Wer weiterging und es nicht akzeptierte, wurde weder geschmäht noch herabgewürdigt, noch durch Androhung ewiger Verdammnis unter seelischen Druck gesetzt.”(5)

Mehr als ein Jahrhundert vor Govinda war es Arthur Schopenhauer, der die Tätigkeit christlicher Missionare in Indien als “Glaubensimpfung” und das Missionswesen als den “Gipfel menschlicher Zudringlichkeit, Arroganz und Impertinenz” bezeichnete. (6) Hingegen hob er “die außerordentliche Toleranz der Buddhaisten” hervor. “Die Annalen des Buddhaismus” würden, so meinte Schopenhauer, weniger Beispiele von Religionsverfolgung liefern, als die einer andern Religion. In der That ist Intoleranz nur dem Monotheismus wesentlich: ein alleiniger Gott ist, seiner Natur nach, ein eifersüchtiger Gott, der keinem andern das Leben gönnt”. (7)

Trotz allen Drucks war und ist die Missionierung nicht immer erfolgreich. Mitunter  geschah es, dass die “christlichen Glaubensboten”, wenn sie sich ernsthaft mit den Wahrheiten des Buddhismus vertraut machten, sich wandelten. Arthur Schopenhauer beschrieb das mit den Worten: Als Lehrer geht ihr hin: Als Schüler kommt ihr wieder. (8)


S. hierzu auch > Buddhismus: Atheismus und Theodizee.


Anmerkungen
(1)
Vgl. Georg Grimm - ein Lebensweg vom Christentum über Schopenhauer zum Buddhismus > hier.
(2)
Lama Anagarika Govinda, , Der Weg der weißen Wolken (Taschenbuchausgabe) München 1988, S. 121 f.
(3) Lama Anagarika Govinda , Buddhistische Reflexionen, Die Bedeutung von Lehre und Methoden des Buddhismus für westliche Menschen, Bern/München/Wien 1983, S. 8.
(4) Ebd., S. 14.
(5) Lama Govinda, Lebendiger Buddhismus im Abendland,   Goldmann-Taschenbuchausgage 3/95, S. 9 und 19 f.  
(6) Arthur Schopenhauer , Zürcher Ausgabe, Werke in zehn Bänden, Band X: Parerga und Paralipomena II, Kap. 15: Ueber Religion, Zürich 1977,  S. 363.
(7) Ebd., S. 395 f. 
(8) Schopenhauer , a. a. O., Band IX: Parerga II, Kap. 8: Zur Ethik, S. 246.
Ein Beispiel für eine solche Wandlung bei der Missionierung war Richard Wilhelm, der als Missionar nach China ging und dort altchinesische Weisheitsschriften übersetzte.  C. G. Jung, berichtete, dass, als er Wilhelm kennenlernte,  dieser ihm als “ein völliger Chinese” erschien. “Er hatte den östlichen Standpunkt angenommen, und die alte chinesische Kultur hatte ihn ganz durchdrungen.” Tief beeindruckt von der chinesischen Kultur, hätte ihm Wilhelm sogar gesagt: Meine große Befriedigung ist, daß ich nie einen Chinesen getauft habe! (Richard Wilhelm / C. G. Jung, Geheimnis der Blauen Blüte, Köln 1986, S. 179 f.).  

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