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Buddhismus : Atheismus und Theodizee

Der Atheismus und seine Kritik am monotheistischen Gottesglauben sind besondere Merkmale des Buddhismus und der Philosophie Schopenhauers. Hierbei ist das Problem der Theodizee von entscheidender Bedeutung. Dieses für die monotheistischen Religionen unlösbare Problem besteht darin, dass die Existenz eines allmächtigen, allwissenden und allgütigen Schöpfergottes unvereinbar ist mit dem unermesslichen Leid dieser Welt. (1)

Schopenhauer hielt den Atheismus der buddhistischen Lehre für so bedeutsam, dass er in einer seiner grundlegenden philosophischen Schriften lobend hervorhob, dass der Buddhismus “entschieden und ausdrücklich atheistisch ist; so sehr, daß die Priester, wenn ihnen die Lehre des reinen Theismus vorgetragen wird, solche ausdrücklich perhorresciren [verabscheuen]. Daher ... der Oberpriester in Ava, in einem Aufsatze, den er einem katholischen Bischofe übergab, zu den sechs verdammlichen Ketzereien auch die Lehre zählte, ´daß ein Wesen dasei, welches die Welt und alle Dinge geschaffen habe und allein würdig sei, angebetet zu werden.`”(2).

Der Begriff Atheismus hat jedoch, wie Helmuth von Glasenapp in seinem Buch Die Weisheit des Buddha erklärte, “eine besondere Färbung, weil der Buddhismus weder die Existenz einer Vielheit von ihrer Lebensdauer und ihren Machtbefugnissen begrenzten Gottheiten noch das Vorhandensein eines göttlichen Heilzustands (Nirvana) und von heiligen Personen leugnet, welche dieses erfahren haben”(3). Jedenfalls hat das Wort Gott im Buddhismus eine völlig andere Bedeutung als in den  monotheistischen Religionen.

Der Buddhismus hatte schon vor mehr als zwei Jahrtausenden das Problem  der Theodizee deutlich erkannt und dargelegt. Das zeigen die folgenden buddhistischen Grundtexte, die Helmuth von Glasenapp übersetzt und herausgegeben hatte:

Wenn Gott, der über allem waltet,
Das Leben in der Welt gestaltet,
Wenn er verteilt hier Glück, dort Leiden,
Das Böse tun läßt und es meiden,
Der Mensch nur seinen Wunsch vollstreckt -
Dann ist nur Gott von Schuld befleckt.
(4)

“Einige Asketen und Brahmanen [Priester] behaupten: ´Was auch immer einem Menschen zuteil wird, Glück, Leid oder keins von beiden, das hat alles seinen Grund in dem Schöpferwillen des Weltenherrn.` Ich sage dazu: ´Dann werden die Menschen ja auf Grund des Schöpferwillens Gottes zu Mördern, Dieben, Wüstlingen, Lügnern und solchen, denen Gier, Ãœbelwollen und irrige Meinungen eignen.`” (5)

Zur obigen Kritik des Buddha am Gottesglauben meinte von Glasenapp: “Es hat daher mehr für sich, daß die Welt nicht von einem gütigen Gott gemacht und regiert wird, sondern daß ein unpersönliches, unerbittliches  Gesetz in ihr herrscht.”(6) Dieses Gesetz wird im Buddhismus Dharma genannt und  als ein “tragendes Prinzip des Weltprozesses angesehen”.(7)   

Der Buddha lebte etwa 500 Jahre vor Chr. und konnte, da in Indien damals weitgehende Toleranz herrschte, seine Kritik am Theismus gefahrlos vorbringen. Der italienische Philosoph Lucilio Vanini, der etwa 1600 Jahre nach Chr. lebte, äußerte sich zur Theodizee ebenfalls kritisch, und zwar  in erstaunlich gleichem Sinne. Jedoch war zu jener Zeit im Abendland das Christentum, das keine religiöse oder philosophische Meinungsfreiheit zuließ, Staatsreligion.    So musste Vanini seine für das Christentum äußerst gefährlichen  Äußerungen mit einem höchst qualvollen  Tod büßen. (8)

Hinsichtlich des Christentums sei auf Georg Grimm, dem Gründer der Altbuddhistischen Gemeinde, hingewiesen: Grimm war angehender Priester, gab aber nicht zuletzt wegen des Problems der Theodizee seinen christlichen Glauben auf und kam über Schopenhauer zum Buddhismus.(9) In seinem Hauptwerk Die Lehre des Buddho schrieb er:

Speziell die christliche Lehre von der persönlichen Fortdauer in einem ewigen  Himmel oder in einer ewigen Hölle hat den Glauben an einen persönlichen Gott zur Voraussetzung und führt im Verein mit diesem Dogma zu geradezu  ungeheuerlichen Widersprüchen: Wie kann ein menschliches Erkenntnisvermögen den Gedanken fassen, daß ein Gott, der doch der Inbegriff vereinter  Allgüte, Allweisheit und Allmacht sein soll, Wesen schafft, von denen er voraussieht, daß sie in ihrer Ãœberzahl - ´Viele sind berufen, aber Wenige sind  auserwählt`- der ewigen Verdammnis in einer Hölle anheimfallen werden! ...

Muß nicht das Erkenntnisvermögen erst noch geschaffen werden, das einen solchen Gedanken auszuhalten vermag, ganz abgesehen davon, daß es doch an sich schon schlechterdings gegen alle Denkgesetze verstößt, für die Schuld eines armseligen, endlichen Wesens und damit für eine selbst beschränkte und endliche Schuld eine unendliche Strafe eintreten zu lassen? Und dann, wie Schopenhauer so richtig bemerkt: Ist es faßbar, daß der Gott, welcher Nachsicht und Vergebung jeder Schuld vorschreibt, selbst keine übt, sondern noch nach dem Tode ewige Bestrafung eintreten läßt?”(10)

In einem Beitrag, der von der Zeitschrift YANA  unter der Ãœberschrift Die Buddhalehre und der Gottesbegriff  veröffentlicht wurde, berichtete Georg Grimm von einem Gespräch mit einem 15-jährigen Mädchen, “das ausser im christlichen auch im buddhistischen Vorstellungskreise erzogen wurde”.

Bei diesem Gespräch, wo es um das Leid der Tierwelt ging, wurde Grimm von dem Mädchen gefragt, “warum denn der liebe Gott der Christen die Tiere geschaffen habe, da sie so viel leiden müssten, ohne hierfür nach ihrem Tode in einer ewigen Seligkeit, wie sie den Menschen beschieden sei, irgendwelches Entgelt zu erhalten, indem sie nach dieser [christlichen] Lehre mit dem Tode der ewigen Vernichtung anheimfielen.

Der Antwort, dass der liebe Gott die Tiere um der Menschen willen geschaffen habe, hielt das Kind den Einwand entgegen: ´Aber warum hat dann der liebe Gott die Tiere nicht empfindungslos geschaffen, damit sie wenigstens nicht leiden müssen. Das hätte ihm zufolge seiner Allmacht doch genau so leicht sein müssen, wie das Gegenteil.`

In der Tat, man halte sich einmal die Leiden der Tierwelt möglichst anschaulich vor, ... wie insbesondere der Mensch, dieses grösste Raubtier der Erde, die Tiere, vor allem jene, die ihm noch dazu zeitlebens als Haustier dienen, quält, um sie schliesslich nach einem Leben unaufhörlicher Arbeit und unaufhörlichen Leidens  zu morden ...  

Und diesen Ozean von Leiden soll ein allgütiger und allmächtiger Gott über durchaus schuldlose Wesen - denn sie [die Tiere] haben ja gerade  nach der Lehre der Anhänger dieses Gottes  keine Vernunft und keinen freien Willen - ausgegossen haben!!!” (11)

Nicht nur Georg Grimm, auch Arthur Schopenhauer ging das Thema Theodizee persönlich sehr nahe, denn in eines seiner Manuskripte schrieb er: Wenn ein Gott diese Welt gemacht hat, so möchte ich nicht der Gott seyn, ihr Jammer würde mir das Herz zerreißen.(12)

Weiteres zu Schopenhauer und zur Theodizee > hier .
> Buddhalehre und Gottesglaube


Anmerkungen
(1)
Theodizzee ist (laut Philosophisches Wörterbuch, begr. von Heinrich Schmidt, 21. Aufl., neu bearb. von Georgi Schischkoff, Stuttgart 1978, S. 691) “die von den Philosophen ... versuchte Rechtfertigung Gottes hinsichtlich des von ihm zugelassenen Ãœbels in der Welt ... Zu den Versuchen einer Theodizee hat zuerst Epikur kritisch Stellung genommen: entweder will Gott das Ãœbel in der Welt aufheben, aber er kann nicht; oder er will weder, noch kann er; oder er will und kann  auch. Die drei ersten Fälle sind in Hinsicht auf einen [allmächtigen, allgütigen] Gott undenkbar, der letzte verträgt  sich nicht mit dem tatsächlichen Vorhandensein des Ãœbels.”  Ãœbrigens, Epikur lebte etwa zwei Jahrhunderte nach dem Buddha, so dass - wie sich aus den zitierten buddhistischen Grundtexten ergibt - vor ihm der Buddha das Problem erkannt und dargestellt hat. 
(2)
Arthur Schopenhauer , Werke in zehn Bänden, Band V: Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde (§ 34. Die Vernunft) Zürich 1977, S. 142.
(3)
Helmuth von Glasenapp, Die Weisheit des Buddha, Wiesbaden o. J., S. 29.
(4) Jataka (London 1877-97), zit. aus : Pfad zur Erleuchtung. Buddhistische Grundtexte. Übers. und hrsg. von Helmuth von Glasenapp, Düsseldorf/Köln 1974, S. 63.
(5) Anguttara-Nikaya 3, 61, 3 (P.T.S.), zit. aus: Pfad  Ebd.
(6) Helmuth von Glasenapp, Die Weisheit des Buddha, a. a. O., S. 28.
(7) Ebd., S. 37 f.
(8) Weiteres zu Vanini > hier.
(9)  > Georg Grimm - Ein Lebensweg vom Christentum zum Buddha.
(10) Georg Grimm, Die Lehre des Buddho.
Hrsg. von  M. Keller-Grimm und Max Hoppe
[> Altbuddhistische Gemeinde], Wien 1979, S. 83 f.
(11) Georg Grimm, Die Buddhalehre und der Gottesbegriff, in: YANA, Zeitschrift für Altbuddhismus und religiöse Kultur, 4. Heft, XII. Jg. (1959), S. 123 f.
(12) Arthur Schopenhauer ,  Der handschriftliche Nachlaß in fünf Bänden, hrsg. von Arthur Hübscher, Band 3, I, München 1985, S 57

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