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Christentum , Buddhismus und die Tierethik

Ein altes Problem der theistischen Religionen, also auch für das Christentum, ist die Theodizee,  nämlich die Tatsache, dass  die Existenz eines Gottes, der allmächtig, allwissend und allgütig zugleich ist, sich nicht mit dem unermesslichen Leid in dieser Welt vereinbaren lässt. Zumeist wird hierbei auf das Leid der Menschen, aber nur selten auf das der Tiere hingewiesen. Eine Ausnahme hiervon war die Altbuddhistische Gemeinde, die in einer sehr lesenswerten Einführung in die Lehre des Buddha begründete, warum der Buddhismus keinen persönlichen Schöpfergott kennt:

Würde ein solcher Gott existieren, "bliebe unverständlich, daß einem seinem Wesen nach allgütiger Schöpfergott sich freiwillig Tag und Nacht  die Millionen und Abermillionen von Schmerzens - und Todesschreie der am Leid zerbrochenen Menschen und der in Schlachthäusern und Vivisektionskammern gemarterten Tiere anhört. Und das, obwohl er es dank seiner Allmacht und Allwissenheit jeden Augenblick ändern könnte."(1)

Der buddhistische Philosoph und Gründer der Altbuddhistschen Gemeinde, Georg Grimm, äußerte sich dazu noch ausführlicher:

" Ein fünfzehnjähriges Mädchen, das ausser im christlichen auch im buddhistischen Vorstellungskreise erzogen wurde, fragte den Verfasser [Grimm] einmal während eines Gesprächs über die Leiden der Tierwelt, warum denn der liebe Gott der Christen die Tiere geschaffen habe, da sie doch so viel leiden müssten, ohne hierfür nach ihrem Tode in einer ewigen Seligkeit, wie sie den Menschen beschieden sei, irgendwelches Entgelt zu erhalten, indem sie ja nach dieser Lehre mit dem Tode der ewigen Vernichtung anheimfielen.

Der Antwort, dass der liebe Gott die Tiere um der Menschen willen geschaffen habe, hielt das Kind den Einwand entgegen: Aber warum hat dann der liebe Gott die Tiere nicht empfindungslos geschaffen, damit sie wenigstens nicht leiden müssen? Das hätte ihm zufolge seiner Allmacht doch genau so leicht sein müssen, wie das Gegenteil.

In der Tat, man halte sich einmal die Leiden der Tierwelt möglichst anschaulich vor, wie sie sich selbst unablässig verfolgen, ja vernichten ...  wie insbesondere der Mensch, dieses grösste Raubtier der Erde, die Tiere, vor allem jene, die ihm noch dazu zeitlebens als Haustier dienen, quält, um sie schliesslich nach einem Leben unaufhörlicher Arbeit und unaufhörlichen Leidens zu morden ...

Und diesen Ozean von Leiden soll ein allgütiger und allmächtiger Gott über durchaus schuldlose Wesen - denn sie haben ja gerade nach der Lehre der Anhänger dieses Gottes keine Vernunft und keinen freien Willen - ausgegossen haben! ! ! Wie müsste wohl diesem Gott zu Mute werden, wenn so ein gequältes Wesen vor ihn hinträte und ihm die furchtbaren Worte entgegenschleuderte: ´Du kannst es mit ansehen, wie sich mein ganzes Leben zu einer einzigen Kette von Leid gestaltet; ja, du ganz allein bist mein Peiniger. Denn du hast mich geschaffen und zu diesem Leben bestimmt ohne das geringste Verschulden meinerseits und obwohl du zufolge deiner Allwissenheit dieses mein entsetzliches Leben voraussahst. Ja, du hast mich noch dazu ausdrücklich der Gewalt des Teufels, Mensch geheissen, überantwortet in den grausamen Worten, die du ganz im Einklang mit deinen Taten, zu deinem treuen Diener Noah und seinen Söhnen gesprochen hast: Und Furcht und Schrecken vor euch soll kommen über alle Tiere auf Erden und über alle Vögel unter dem Himmel, über alles, was sich auf Erden regt, und über alle Fische des Meeres: in euere Gewalt sind sie gegeben!
 (I. Buch Mose, 9,1.)

Nicht einmal dahin hast du deine grauenhaften Worte eingeschränkt, dass deine Lieblinge [die Menschen] uns wenigstens nicht zwecklos quälen sollen. Doch nicht bloss das: dem Teufel Mensch verheisst du die ewige Seligkeit, wenn er nur im übrigen deine Gebote treulich erfüllt, uns aber stösst du nach diesem erbärmlichen Leben, dem du uns preiszugeben für gut befunden hast, wieder hinab in die ewige Vernichtung. Wo bleibt da deine angebliche Allgüte, ja, auch nur ein Funken deiner gerühmten Gerechtigkeit!`

Den obigen Worten Jehovas halte man die zahllosen Stellen des [buddhistischen] Pâli-Kanons gegenüber, in denen immer wieder unbeschränkte Güte und unbeschränktes Erbarmen gegen alles, was da lebt und atmet, als vornehmstes Moralgebot gelehrt wird; vor allem erinnere man sich des Metta-sutta im Suttanipata [eines der ältesten buddhistischen Texte] mit seinem Kernwort: Glückselig sollen alle Wesen sein , ein Herzenswunsch, der täglich den Lippen von Millionen von Buddhajüngern ... entquillt, und man wird den gewaltigen Unterschied zwischen dem Geist des Alten Testaments und dem der Buddhalehre in der hier fraglichen Richtung erkennen. -

Man wende nicht ein, dass dies eben nur der Geist des Alten Testaments sei. Auch dieses Alte Testament gehört zu den mit göttlicher Autorität ausgestatteten heiligen Schriften der christlichen Religionsgesellschaften, wie denn Jehova auch der Gott-Vater der Christen ist, und gerade auf Stellen, wie die oben im Text angeführten, beruft man sich zur Rechtfertigung der mitleidlosen Behandlung der Tiere."(2)

Georg Grimm, der mit diesen Worte das Christentum als eine Religion ohne Tierethik anklagte, besaß durchaus die Kompetenz, das Christentum mit dem Buddhismus zu vergleichen, denn bevor er über Schopenhauers Philosophie die Lehre des Buddha näher kennenlernte, studierte er Theologie auf einem katholischen Priesterseminar, und zwar so erfolgreich, dass er sogar die niederen Weihen erhielt. Doch "es kam der Tag, wo es mir [Georg Grimm] einfach unmöglich geworden war, an einen persönlichen Gott zu glauben, der zugleich allmächtig, allwissend und allgütig sein sollte"(3).

Ein anderer wichtiger Grund, nicht katholischer Priester zu werden, war für Georg Grimm sicher auch "seine übergrosse Tierliebe"(4), von der seine Tochter viele überzeugende Beispiele aus seinem Leben berichtete. Deshalb ist es durchaus verständlich, wenn er sich von der Kirche ab- und sich dem (ebenfalls sehr tierlieben) Philosophen Arthur Schopenhauer zuwandte. Schließlich  fand er in der Lehre des Buddha, die Schopenhauers Philosophie sehr nahe steht, seine spirituelle Heimat.

So waren unter den Gründen, die Grimm veranlassten, sich vom Christentum zu lösen und zum Buddhismus zu konvertieren,  zwei  von besonderer Bedeutung:  Erstens, dass die buddhistische Lehre - im Gegensatz zu den im Abendland vorherrschenden theistischen  Religionen - die Tiere in ihre Ethik voll einbezieht und Zweitens, dass sie nicht von der Existenz eines persönlichen Schöpfergottes ausgeht. Den zweiten Grund hielt Georg Grimm für derart wichtig, dass er sogar meinte: "Nur wer mit dem Begriff eines persönlichen Gottes fertig zu werden vermag, ist reif für die Lehre des Buddha" (5).

Übrigens, für die, welche sich der Buddhalehre anschliessen, ist das Thema Gott und das Tierleid kein bedrängendes Thema mehr. In der Lehre des Buddha gibt es keinen persönlichen Gott, so dass sich das oben erwähnte Problem der Theodizee nicht stellt. Auch gibt es keinen Widerspruch zwischen Tierethik und Religion, denn der Buddhismus ist eine Philosophie bzw. Religion, in der alle, denen das Wohl der Tiere am Herzen liegt, eine Ethik finden, in der es gilt, jedes Leben, also auch die Tiere, zu achten und soweit möglich zu schützen!

Wie kaum ein anderer weltberühmter Philosoph wies der "Buddhaist" Schopenhauer in zahlreichen Stellen seiner Schriften mit bewegenden Worten auch auf das Tierleid hin, das für das Christentum  - damals so wie heute - kein besonders erwähnenswertes Thema ist. Tief berührt durch das Leid von Mensch und Tier schrieb Arthur Schopenhauer:

Wenn ein Gott diese Welt gemacht hat,
so möchte ich nicht der Gott seyn:
ihr Jammer würde mir das Herz zerreißen.
(6)

Weiteres

> Tierethik - Tierrechte  (mit Themenübersicht)

> Lehre des Buddha  (Einführung)

> Altbuddhistische Gemeinde

> Georg Grimm  (sein Weg zum Buddhismus)

Anmerkungen

(1) M. Keller-Grimm / Max Hoppe (Br. Dhammapalo): Im Lichte des Meisters. Die Lehre des Buddha in Frage und Antwort, hrsg. v. d. Altbuddhistischen Gemeinde, 3. Aufl. 1986, S. 90.

(2) Georg Grimm: Die Buddhalehre und der Gottesbegriff, in: YANA,  Zeitschrift für Altbuddhismus und religiöse Kultur, hrsg. v. d. Altbuddhistischen Gemeinde, XII Jg., Juli-Aug. 1959, 4. Heft, S. 121-126.

(3) Max Hoppe: Georg Grimm, Sonderdruck aus YANA, a. a. O., XXVI. Jg., Jan.-Febr. 1973, 1. Heft, S. 6.n

(4) Ebd., S. 3.

(5) Georg Grimm: Die Buddhalehre ..., a. a. O., S. 126.

(6) Arthur Schopenhauer , Der handschriftliche Nachlaß, hrsg. von Arthur Hübscher, Band 3, München 1985, S. 57 (Nr. 138).

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