Schopenhauer-Buddhismus : Enso
Schopenhauer und Buddhismus

Schopenhauer und die “soziale Frage”

Schopenhauer wurde besonders von marxistischer Seite immer wieder vorgeworfen, daß er vermögend sei und ihn Not und Elend der Ausgebeuteten mehr oder weniger unberührt gelassen hätten. Abgesehen davon, daß manche Führer der marxistischen Bewegung reicher waren und komfortabler lebten als Schopenhauer, ist dieser Vorwurf unberechtigt, ja oft sogar böswillig:

Schopenhauer war sich der sozialen Frage durchaus bewußt, nur er sah ihre Lösung nicht in Klassenkampf und Revolution, also in Gewalt und Blutvergießen. Da die Natur des Menschen sich auch durch eine Revolution  nicht ändert, wäre das Ergebnis nur Blutvergießen und die Ablösung einer Ausbeutung durch eine andere. Was hierzu Dostojewski in seinem Roman “Dämonen” der damaligen radikalen “fortschrittlichen Intelligenz” in Rußland entgegenhielt, ist nach wie vor gültig und eine Bestätigung für Schopenhauer. Vor allem die Geschichte der letzten 100 Jahre gibt Schopenhauer Recht, und zwar in furchtbarer Weise.

Die hemmungslose Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zeigte sich zur Zeit Schopenhauers besonders deutlich im Elend und der Not des Proletariats während der Industrialisierung in Westeuropa. Auch das Los der schwarzen Sklaven in den Südstaaten der USA war nicht besser. Schopenhauer hat diese sozialen Mißstände entschieden verurteilt und in seinen Schriften mit bewegenden Worten angeprangert. Für ihn waren das herausragende Beispiele dafür, wie es mit unserer Welt wirklich bestellt ist. Unsere Welt als die beste aller Welten zu bezeichnen, wie es Leibnitz tat, war für Schopenhauer schon deshalb ausgeschlossen, weil er an den sozialen Mißstände seiner Zeit nicht  vorbeiging.

Die Lösung, die Schopenhauer sah, war nicht Gewalt, sondern tätiges Mitgefühl. Die Mitleidsethik, die ein sehr wesentlicher Teil der Philosophie Schopenhauers ist, wird von manchen Intellektuellen bespöttelt oder in anderer überheblicher Weise herabgesetzt. Sie offenbaren damit nur ihren eigenen Mangel an Mitgefühl und die Tatsache, daß sie Schopenhauers Philosophie in ihrer Tiefe nicht verstanden haben.

Auch zur Zeit des Buddha gab es unter den Menschen Armut und Not, also eine soziale Frage. Wie  Schopenhauer, so war auch der Buddha in politischer Hinsicht kein Revolutionär. Beide wußten, daß unsere Welt eine Welt des Leides ist und bleibt. Nicht Gewalt, Haß und Feindschaft, auch nicht Weltflucht, wohl aber Weltüberwindung ist ihre Lösung.

                          H.B.