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Vom Priesterseminar zur Buddhalehre

Das Leben von Georg Grimm , dem Gründer der Altbuddhistischen Gemeinde und Verfasser grundlegender Werke zum frühen Buddhismus, ist ein höchst erstaunlicher  Weg, der vom Christentum über die Philosophie Arthur Schopenhauers schließlich zur Lehre des Buddha führte.

In YANA, der Zeitschrift der Altbuddhistischen Gemeinde, wird dieser bemerkenswerte Lebenslauf Grimms sehr eindrucksvoll beschrieben, und zwar zum Teil auch mit Grimms eigenen Worten.  Hiernach sollte er auf Wunsch seiner “frommen Eltern” katholischer Priester werden. So kam er in das Priesterseminar nach Eichstädt.

Jedoch “so sehr  ich mich aber auch mühte, die christlichen Dogmen als ein Gegebenes hinzunehmen, so gewannen doch die aufsteigenden Zweifel mehr und mehr die Vorherrschaft, und es kam der Tag, wo es mir einfach unmöglich geworden war, an einen persönlichen Gott zu glauben, der zugleich allmächtig, allwissend und allgütig sein sollte. Die niederen Weihen hatte ich schon erhalten, und ich stand kurz vor der letzten Weihe. In meiner zunehmenden Gewissensnot gestand ich meinem Unterweiser die mich peinigenden Zweifel und sprach von meinem Entschluss, nicht Priester werden zu wollen. ... Obwohl ich nun ein bettelarmer Student war - meine Eltern verwiesen mir auf Grund des Abbruchs meines  Theologiestudiums das Haus  ...”(1)

Wenn es Georg Grimm unmöglich wurde, an einen persönlichen Gott zu glauben, so konnte für ihn  nur eine Weltanschauung oder Religion infrage kommen, die einen solchen Glauben nicht voraussetzte - und das war für ihn zunächst Schopenhauers Philosophie und über diese  dann die Lehre des Buddha, die ebenfalls die Existenz eines persönlichen Gottes verneint.

In diesem Zusammenhang begründete Georg Grimm sehr überzeugend und mit großer Sachkenntnis   seine Kritik am Christentum, und zwar in seinem in vielen Neuauflagen erschienenen Grundlagenwerk Die Lehre des Buddho:  

“Speziell die christliche Lehre von der persönlichen Fortdauer in einem ewigen Himmel oder in einer ewigen Hölle hat den Glauben an einen persönlichen Gott zur Voraussetzung und führt im Verein mit diesem Dogma zu geradezu ungeheuerlichen Widersprüchen: Wie kann ein menschliches Erkenntnisvermögen den Gedanken fassen, daß ein Gott, der doch der Inbegriff vereinter Allgüte, Allweisheit und Allmacht sein soll, Wesen schafft, von denen er voraussieht, daß sie in ihrer Überzahl — ´Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt` — der ewigen Verdammnis in einer Hölle anheimfallen werden!

Freilich wählen sich diese Wesen dieses ihr grauenhaftes Schicksal infolge ihrer Willensfreiheit selbst. Aber wie kann der allgütige Gott ihnen ein solches entsetzliches ´Geschenk` verleihen, nachdem er doch zufolge seiner Allwissenheit voraussieht, daß es in so fürchterlicher Weise mißbraucht werden wird! Was würde man von einem natürlichen Vater sagen, der sein Kind in die Welt hinausschickt oder auch es schon zeugt in der bestimmten Voraussicht, daß es später »freiwillig« ein mit lebenslänglichem Zuchthaus zu bestrafendes Verbrechen begehen und zeitlebens in tiefster Verzweiflung dahinbrüten wird!

Was wäre aber ein solches Unterfangen im Vergleiche mit jenem anderen, ein Wesen ins Dasein zu setzen, ja, die allermeisten Wesen ins Dasein zu setzen, damit die einen, nämlich die Tiere, die keinen freien Willen haben, also zugestandenermaßen schuldlos und ohne jede Aussicht auf Entschädigung — denn sie sind ja nach dieser Lehre nicht unsterblich — ein Leben des Schreckens und der Angst führen, und die anderen, die Menschen, infolge ihres freien Willens [den der Buddhismus voraussetzt, aber Schopenhauer bestreitet] der namenlosen Qual einer ewigen Hölle verfallen, die ihr Schöpfer gerade als Folge des von ihm ihnen mit auf den Weg gegebenen freien Willens voraussah!

Muß nicht das Erkenntnisvermögen erst noch geschaffen werden, das einen solchen Gedanken auszuhalten vermag, ganz abgesehen davon, daß es doch an sich schon schlechterdings gegen alle Denkgesetze verstößt, für die Schuld eines armseligen, endlichen Wesens und damit für eine selbst beschränkte und endliche Schuld eine unendliche Strafe eintreten zu lassen? Und dann, wie Schopenhauer so richtig bemerkt :  Ist es faßbar, daß der Gott, welcher Nachsicht und Vergebung jeder Schuld vorschreibt, selbst keine übt, sondern noch nach dem Tode ewige Bestrafung eintreten läßt? “(2)

Georg Grimm war ein sehr mitleidiger Mensch, wobei sich sein Mitleid - wie schon aus obigem Zitat erkennbar ist -  die Tiere mit einbezog. Seine “übergroße Tierliebe” war derart überzeugend, dass sie sich dann auch auf seine Tochter übertrug. So ist es durchaus verständlich, dass Grimm in seiner Kritik am Christentum und dessen Gottesverständnis gerade die völlig mitleidlose Einstellung des Christentums zum  Leiden der Tiere besonders anprangerte. So schrieb er in einem Beitrag,  der unter dem Titel Die Buddhalehre und der Gottesbegriff in der Zeitschrift YANA veröffentlicht wurde:

“Weil der Glaube an einen persönlichen Gott mit der wahren Sachlage in ihren Kernpunkten in krassem Widerspruch steht, deshalb durchschaut ihn auch jedes halbwegs objektive Denkvermögen mit der Zeit unschwer als einen Ausfluss des Nichtwissens , der Unkenntnis dieser wahren Sachlage, eben weshalb jener Glaube mit der zunehmenden Aufklärung der Massen ja auch immer mehr an Boden verliert. Nicht selten kann man sogar schon Kinder über diesen Gott stutzig werden sehen, womit sich auch die weitere Stütze für diesen Gott als hohl erweist, dass uns der Glaube an ihn eingeboren sei, wie das übrigens dieser Gott ja wohl auch bewirkt hätte, wenn er wirklich existierte.

Ein fünfzehnjähriges Mädchen, das außer im christlichen auch im buddhistischen Vorstellungskreise erzogen wurde, fragte den Verfasser [Georg Grimm] einmal während eines Gesprächs über die Leiden der Tierwelt, warum denn der liebe Gott der Christen die Tiere geschaffen habe, da sie doch so viel leiden müssten, ohne hierfür nach ihrem Tode in einer ewigen Seligkeit, wie sie den Menschen beschieden sei, irgendwelches Entgelt zu erhalten, indem sie ja nach dieser Lehre mit dem Tode der ewigen Vernichtung anheimfielen.

Der Antwort, dass der liebe Gott die Tiere um der Menschen willen geschaffen habe, hielt das Kind den Einwand entgegen: ´Aber warum hat dann der liebe Gott die Tiere nicht empfindungslos geschaffen, damit sie wenigstens nicht leiden müssen? Das hätte ihm zufolge seiner Allmacht doch genauso leicht sein müssen, wie das Gegenteil.`

 In der Tat, man halte sich einmal die Leiden der Tierwelt möglichst anschaulich vor, wie sie sich selbst unablässig verfolgen, ja vernichten - ´einer den anderen auffressen ist dort der Brauch` - wie insbesondere der Mensch, dieses grösste Raubtier der Erde, die Tiere, vor allem jene, die ihm noch dazu zeitlebens als Haustier dienen, quält, um sie schliesslich nach einem Leben unaufhörlicher Arbeit und unaufhörlichen Leidens zu morden - hier muss man speziell an die südlichen Länder denken, beispielsweise wissen, wie ein italienischer Droschkenkutscher tagtäglich sein armes Pferd misshandelt, das ihm seinen Lebensunterhalt bringt - und man wird die Worte des Buddha begreifen:

´Dass man es auch nicht wohl durch Gleichnisse dartun kann, wie tief die Leiden der Tierheit reichen.`

Und diesen Ozean von Leiden soll ein allgütiger und allmächtiger Gott über durchaus  schuldlose    Wesen - denn sie haben ja gerade nach der Lehre der Anhänger dieses Gottes keine Vernunft und keinen freien Willen - ausgegossen haben! ! !

Wie müsste wohl diesem Gott zu Mute werden, wenn so ein gequältes Wesen vor ihn hinträte und ihm die furchtbaren Worte entgegenschleuderte: ´Du kannst es mit ansehen, wie sich mein ganzes Leben zu einer einzigen Kette von Leid gestaltet; ja, du ganz allein bist mein Peiniger. Denn du hast mich geschaffen und zu diesem Leben bestimmt ohne das geringste Verschulden meinerseits und obwohl du zufolge deiner Allwissenheit dieses mein entsetzliches Leben voraussahst. Ja, du hast mich noch dazu ausdrücklich der Gewalt des Teufels, Mensch geheissen, überantwortet in den grausamen Worten, die du ganz im Einklang mit deinen Taten, zu deinem treuen Diener Noah und seinen Söhnen gesprochen hast:

Und Furcht und Schrecken vor euch soll kommen über alle Tiere auf Erden und über alle Vögel unter dem Himmel, über alles, was sich auf Erden regt, und über alle Fische des Meeres: in euere Gewalt sind sie gegeben! (1. Buch Mose, 9,1)

Nicht einmal dahin hast du deine grauenhaften Worte eingeschränkt, dass deine Lieblinge uns wenigstens nicht zwecklos quälen sollen. Doch nicht bloss das: dem Teufel Mensch verheisst du die ewige Seligkeit, wenn er nur im übrigen deine Gebote treulich erfüllt, uns aber stösst du nach diesem erbärmlichen Leben, dem du uns preiszugeben für gut befunden hast, wieder hinab in die ewige Vernichtung. Wo bleibt da deine angebliche Allgüte, ja, auch nur ein Funken deiner gerühmten Gerechtigkeit? Ich verfluche dich, o Gott, verfluche dich noch im letzten Augenblicke, wo das Schlachtmesser des Teufels Mensch mit deiner Billigung die Gurgel durchschneidet` ."

In der Anmerkung zu dieser  erschütternden Anklage fügte Georg Grimm (der ehemalige katholische Priesteranwärter und spätere überzeugte Buddhist) hinzu: “Den obigen Worten Jehovas halte man die zahllosen Stellen des Pâli-Kanons gegenüber, in denen immer wieder unbeschränkte Güte und unbeschränktes Erbarmen gegen alles, was da lebt und atmet, als vornehmstes Moralgebot gelehrt wird; vor allem erinnere man sich des Metta-sutta im Suttanipata mit seinem Kernwort:

´Glückselig sollen alle Wesen sein", ein Herzenswunsch, der täglich den Lippen von Millionen von Buddhajüngern und Buddhajüngerinnen entquillt, und man wird den gewaltigen Unterschied zwischen dem Geist des Alten Testaments und dem der Buddhalehre in der hier fraglichen Richtung erkennen. -

Man wende nicht ein, dass dies eben nur der Geist des Alten Testaments sei. Auch dieses Alte Testament gehört zu den mit göttlicher Autorität ausgestatteten heiligen Schriften der christlichen Religionsgesellschaften, wie denn Jehova auch der Gott-Vater der Christen ist, und gerade auf Stellen, wie die oben im Text angeführten, beruft man sich zur Rechtfertigung der mitleidlosen Behandlung der Tiere.” (3)

Wie die obigen Zitate eindrucksvoll zeigen, waren es zunehmende Zweifel am christlichen Gott und die damit verbundenen Gewissensnöte, aber auch seine große Tierliebe, die Grimm -  nachdem er die Philosophie des “Buddhaisten” Arthur Schopenhauer näher kennen und schätzen  lernte - schließlich zur Buddhalehre führten. Diese Lehre, die in ihre Ethik alle Wesen einbezieht, entsprach auch zutiefst seinem Gerechtigkeitsgefühl und religiösen Empfinden. So wandte sich dann Georg Grimm bis zu seinem Lebensende dem Buddha und dessen Lehre mit ganzem Herzen zu.


Weiteres zu
 > Georg Grimm und seiner > Altbuddhistischen Gemeinde .


Anmerkungen

(1)
Max Hoppe : Georg Grimm , Sonderdruck aus YANA, Zeitschrift für Buddhismus und religiöse Kultur auf buddhistischer Grundlage, XXVI. Jg., Jan.-Febr. 1973 - 2516,   1. Heft, S. 6.

(2) Georg Grimm : Die Lehre des Buddho,
Wiesbaden o. J., S. 83 f.

Was Grimm dort sehr treffend beschrieb, ist das Problem der Theodizee, s. dazu:  Leid und Gott (Theodizee) aus der Sicht von Arthur Schopenhauer und des Buddhismus > hier.
 
(3) Georg Grimm : Die Buddhalehre und der Gottesbegriff
in YANA , a. a. O., XII. Jg., Juli- Aug. 1959 - 2503,
4. Heft,  S. 121-126.

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