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Buddhismus und Christentum - zwei gegensätzliche Weltreligionen |
Nicht selten wird behauptet, dass das Christentum in seiner Frühzeit von indischen Religionen und damit auch vom Buddhismus erheblich beeinflusst worden sei. Schon aus diesem Grund hätten Buddhismus und Christentum manches oder sogar viel gemeinsam. Derartige Meinungen werden besonders von Menschen geäußert, die sich zwar im Rahmen ihrer Kirchenzugehörigkeit grundsätzlich zum christlichen Glauben bekennen, zugleich aber vom Wert buddhistischer Meditationen, wie zum Beispiel der Achtsamkeitsübungen, überzeugt sind. Sie neigen deshalb dazu, die vermeintlichen Gemeinsamkeiten zwischen beiden Weltreligionen überzubetonen und die Gegensätze zwischen ihnen möglichst zu verdrängen. Das Ergebnis können dann Selbstbezeichnungen sein wie “buddhistischer Christ” oder “christlicher Buddhist”. Wie sehr solche Begriffe ein Widerspruch in sich sind, geht aus den Ausführungen des weithin als sehr kompetent anerkannten Religionswissenschaftlers und Indologen Helmuth von Glasenapp hervor, der in seinem Buch Die Indische Welt zum Verhältnis von Buddhismus und Christentum Stellung nahm und dabei auf fundamentale Unterschiede zwischen beiden Religionen hinwies: “Besonnene Forscher haben seit langem nicht mehr angenommen, daß die Bibel aus indischen Schriften geschöpft habe oder in einem wesentlichen Umfange von indischen Glaubensvorstellungen oder Mythen abhängig sei.” Es sei, so betonte von Glasenapp, “in keiner Weise der Fall”, dass “die religiösen Lehren, auf welche sich die christliche Ethik gründet, mit denen des Buddha übereinstimmten. ... Christentum und Buddhismus stellen vielmehr, obwohl sie beide einen Weg zur Erlösung weisen, zwei durchaus gegensätzliche Typen von Heilslehren dar. Denn der Buddhismus ist von Hause aus eine Philosophie, die an die Erkenntnisfähigkeit ihrer Anhänger große Ansprüche stellt und deshalb vor allem an die Weisen und Klugen appelliert, das Christentum aber eine prophetische Botschaft, welche sich für ihre eschatologischen [auf das Endschicksal der Welt beziehenden] Erwartungen an die Glaubensbereitschaft gerade der Armen und Ungebildeten (Matth. 11,35; 1. Kor. 1, 27) richtete. Aber auch in ihren Gedankenwelten sind beide von Grund auf verschieden. Der Christ will von der Sünde, deren Sold der Tod ist, frei werden, der Buddhist von dem Leid des vergänglichen, sich immer erneuernden Daseins. Dabei sind die metaphysischen und kosmologischen Grundlagen beider Religionen durchaus abweichende. Das Christentum lehrt einen Weltanfang durch die Schöpfermacht Gottes, eine providentielle [von der Vorsehung bestimmte] Lenkung des Weltprozesses durch Gottes Allmacht, ein definitives Weltende, ein Weltgericht, die Auferstehung des Fleisches und das Kommen eines endgültigen Gottesreiches, der Buddhismus hingegen leugnet das Dasein eines ewigen Weltenherrn, kennt keinen Weltanfang und kein Weltende und läßt alles Geschehen von einem ewigen Weltgesetz regiert werden, durch welches alles gute oder böse Tun automatisch seinen Lohn vermittels einer Reinkarnation findet. Das Christentum lehrt eine einmalige Vergeltung durch ewige Höllenstrafen oder ewige Seligkeit, der Buddhismus eine zeitlich begrenzte Wiederverkörperung auf Erden, in Höllen oder Götterhimmeln und eine stufenweise Läuterung im Verlauf vieler aufeinanderfolgender Daseinsformen. Das Christentum erwartet das Heil von der Gnade Gottes, im Buddhismus ist jeder sein eigener Erlöser: für das Christentum ...” Es ist klar, daß bei einer so fundamentalen Verschiedenheit beider Weltreligionen die ältere nicht als Vorbild der jüngeren gedient haben kann”.(1) Die von Glasenapp oben so deutlich hervorgehobene “fundamentale Verschiedenheit” zwischen Buddhismus und Christentum zeigt sich auch in der Ethik, und zwar im Verhältnis von Mensch und Tier. Hierzu schrieb der buddhistische Autor Hellmuth Hecker in seinem vom Buddhistischen Seminar Hamburg herausgegebenen Buch Das Leben des Buddha : “Wie ist also die Haltung des Buddha zu den Tieren? Am kürzesten ist sie umrissen mit dem Wortlaut der vom Erwachten gegebenen Tugendregel: ´Ohne Stock und ohne Schwert, fühlsam, voll Teilnahme hegt er zu allen lebenden Wesen Liebe und Mitleid.` Der westliche Mensch wird in der Regel in der [christlichen] Auffassung erzogen, er sei von Gott als ´Krone der Schöpfung` erschaffen worden, ihm sei die Welt gegeben, Tiere, Wald und Feld stünden zu seiner Verfügung, er könne damit schalten und walten, wie er es für gut und richtig halte.” Als Beleg hierzu zitierte Hecker aus den Tischgesprächen Martin Luthers, in denen der Reformator den Herrschaftsanspruch des Menschen über die Natur (einschließlich der vom Buddha abgelehnten Jagd auf Tiere !) aus christlicher Sicht unmissverständlich rechtfertigte: “Alle Meere und Wasser sind unsere Trinkkeller; alle Wälder und Hölzer sind unsere Jägerei ... Denn es ist alles um unser, der Menschen willen geschaffen.” (2) Diese hier zum Ausdruck kommende Nichtachtung der Tiere lässt sich schon in der Frühzeit des Christentums nachweisen. In seiner Anthologie Zurück zur Natur-Religion ? Wege zur Ehrfurcht vor allem Leben wies Holger Schleip auf einen Bericht in der Bibel (Matthäus 8, Markus 5, Lukas 8) hin. Hiernach weidete zufällig in der Nähe von Jesus eine Herde offenbar gesunder Schweine, als dieser sich entschloss, einen besessenen Menschen zu heilen. “Auf Bitten der ´bösen Geister`”, so schrieb Schleip, “trieb er diese [also die vermeintlich bösen Geister] nicht einfach aus dem Menschen aus, sondern er ließ sie in die Schweine fahren, die sich daraufhin ins Meer stürzten und ertranken - zweitausend Schweine, wie Markus sachlich erläuterte.”(3) Schon vor fast 200 Jahren beklagte Arthur Schopenhauer die Rechtlosigkeit der Tiere, die alttestamentarischen Ursprungs sei, und zwar als Folge der Genesis. Hiernach habe der Schöpfer die Tiere ganz wie Sachen, ohne alle Empfehlung zu guter Behandlung, dem Menschen übergeben, damit er über sie herrsche. In der Bibel, so meinte Schopenhauer, fänden sich keine die Schonung der Tierwelt predigende Verordnungen.(4) Die Bemühungen solche beizubringen, wären vergeblich gewesen. In einem besonderen Kapitel Ueber Religion schrieb Schopenhauer: “Ein ... nicht weg zu erklärender Grundfehler des Christentums ist, daß es widernatürlicherweise den Menschen losgerissen hat von der Tierwelt, welcher er doch wesentlich angehört, und ihn [den Menschen] nun ganz allein gelten lassen will, die Tiere geradezu als Sachen betrachtend; - während Brahmanismus und Buddhaismus, der Wahrheit getreu, die augenfällige Verwandtschaft des Menschen ... entschieden anerkennen und ihn stets, durch Metempsychose [Seelenwanderung] und sonst, in enger Verbindung mit der Tierwelt darstellen.” (5) Neben diesem “Grundfehler”, den es im Buddhismus nicht gibt, hat das Christentum wie alle theistischen Religionen, die von der Existenz eines allmächtigen und zugleich allgütigen Schöpfergottes ausgehen, ein unheilbares Problem, nämlich die unbestreitbare Tatsache, dass das furchtbare Leid von Mensch und Tier, welches in dieser Welt herrscht, mit der angeblichen göttlichen Allmacht und Allgüte völlig unvereinbar ist. Auch die geschickteste Redekunst vermag diesen zentralen Widerspruch nicht wegzudiskutieren. Der Buddhismus, bei dem als atheistische Religion sich dieses als Theodizee bezeichnete unlösbare Grundproblem im Gegensatz zum Christentum nicht stellt, hat es in einer seiner alten Schriften - durchaus zutreffend - so zum Ausdruck gebracht: Wenn Gott, der über allem
waltet, Im gleichen Sinne wie dieses aus den Schriften des alten Buddhismus stammende Zitat äußerte sich viele Jahrhunderte später, und zwar als Argument gegen das Christentum, der nach dem Herausreißen der Zunge (!) als Ketzer verbrannte Philosoph Lucilio Vanani. (7) In diesem Zusammenhang sei zum Vergleich auf die buddhistische Ethik hingewiesen, zu der es gehört, “Gewalt in allen ihren Formen zu vermeiden, angefangen bei der Tötung von Menschen und Tieren bis hin zur geistigen Unterjochung Andersdenkender”.(8) Somit ist es aus allen oben genannten Gründen - selbst bei bestem Willen zu Toleranz und gegenseitigem Verständnis - nicht möglich, den in metaphysischer und ethischer Hinsicht bestehenden fundamentalen Gegensatz zwischen Buddhismus und Christentum zu überbrücken. Wer sich dennoch als “christlicher Buddhist” oder “buddhistischer Christ” bezeichnet, zeigt, dass er sich von seinem - zumeist in früher Kindheit anerzogenen, ja ihm gleichsam ”eingeimpften” - Glauben, nicht zu lösen vermag, zumal dieser Glaube durch sein Bekenntnis im Rahmen der Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche eindeutig dokumentiert wird. Hierbei ist es Pflicht jedes Christen, sich an die Heilige Schrift, die Bibel, das Wort Gottes zu halten. Dem steht entgegen ein anderes Wort, nämlich das des Buddha: Richtet euch nicht nach Sammlungen von heiligen Überlieferungen, nicht nach eingewurzelten Anschauungen, sondern was ihr selbst als gut oder schlecht erkannt habt, das nehmt an oder gebt auf. (9)
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