Etwa zur gleichen Zeit, und zwar wohl angeregt durch die Pali-Übersetzungen von > Karl Eugen Neumann, gründete 1921 Georg Grimm in München einen buddhistischen Kreis,
der seit 1935 den Namen Altbuddhistische Gemeinde führte. Die Gemeinde hatte ihren Sitz in Utting am Ammersee. Eine der wichtigsten Grundlagen war für sie das 1915 erschienene Hauptwerk von Georg Grimm Die Lehre des Buddho, welches derart nachgefragt wurde, dass es bereits nach 7 Jahren, also 1922, die 11.(!) Auflage erreichte. Die von Maya Keller-Grimm und Max Hoppe herausgegebenen Neuauflage dieses Werks enthält im Anhang einen besonderen Abschnitt (4.) mit der Überschrift Der prinzipielle Unterschied der Lehre des Buddho von der Philosophie Schopenhauers - Buddhistische Kommentare. Zunächst fällt dort auf, dass Georg Grimm sich wie kaum ein anderer Wegbereiter des Buddhismus in Deutschland intensiv und ausführlich mit der Philosophie von Arthur
Schopenhauer im Vergleich zur Lehre des alten Buddhismus auseinandergesetzt hatte. Das betreffende Kapitel beginnt mit Feststellungen, die wohl nicht ernsthaft bestritten werden können, nämlich die Verwandtschaft der Philosophie Schopenhauers mit der Lehre des Buddho und die staunenswerte
Übereinstimmung zwischen den beiden Großen. In den darauf folgenden Ausführungen begründete Georg Grimm, warum es seiner Meinung nach dennoch einen “prinzipiellen Unterschied” gäbe. Dieser Unterschied ergab sich, meiner Meinung nach, vor allem dadurch, dass Grimm eine andere Auffassung von dem hatte, was Schopenhauer Wille nannte, also eines Begriffes, der in Schopenhauers Lehre vom metaphysischen Willen zentrale Bedeutung hat und oft mit dem individuellen Willen verwechselt wird. Auch als Anhänger Schopenhauers fühlte ich mich der Altbuddhistischen Gemeinde verbunden. Eine
der Gründe hierfür war die - wie es das erwähnte YANA-Heft nannte - “übergroße Tierliebe” von Georg Grimm und seiner Tochter. Deren Tierliebe ist eine weitere wesentliche Gemeinsamkeit mit Arthur Schopenhauer, der als wohl erster weltbekannter westlicher Philosoph der Neuzeit entschieden für den Tierschutz eintrat. Mit seiner allumfassenden Mitleidsethik,
welche ein bedeutsamer Teil seiner Philosophie ist und auch Tierethik einschließt, kann Schopenhauer sogar als Vorkämpfer für Tierrechte gelten. Dieses Thema liegt mir am Herzen, und deshalb war ich immer wieder erfreut, wenn die Altbuddhistische Gemeinde in ihren Veröffentlichungen über Tierschutz und Schopenhauer berichtete. Da ich selbst einige Beiträge in der von der Altbuddhistischen Gemeinde herausgegebenen Zeitschrift YANA veröffentlichte, weiß ich aus eigener Erfahrung, wie sehr für deren Redaktion der Tierschutz ein zentrales Anliegen war. Nicht zuletzt daran zeigte sich die zutiefst ethische Einstellung der Altbuddhistischen Gemeinde. Das
entsprach ja durchaus der von ihr vertretenen Lehre des Buddha, denn im Buddhismus gehört tätiges Mitgefühl mit allen Wesen, also Tiere selbstverständlich eingeschlossen, zum Edlen Achtfachen Pfad, der Teil der Vier Edlen Wahrheiten des Buddha ist. Georg Grimm starb 1945, und auch danach wirkte die Altbuddhistische Gemeinde ganz in seinem Sinne weiter. “Spiritus Rector” wurde ihr langjähriger Ältester Max Hoppe (Br. Dhammapalo). Sehr gern erinnere ich mich noch an die besinnlichen Spaziergänge und Gespräche mit ihm am Ufer des Ammersees. Dabei vertieften wir manche Gedanken, was wir dann im Briefwechsel bis zu seinem Todesjahr (1992)
fortsetzen konnten. Die Vergänglichkeit alles Irdischen ist eine Tatsache, auf die der Buddha immer wieder hingewiesen hatte und die zum Ausgangspunkt seiner Heilslehre wurde. Daran dachte ich, als ich die Nachricht las, dass die Altbuddhistische Gemeinde 2002 aufgelöst wurde. Was ist von ihr
geblieben? Nun, zunächst ihre Veröffentlichungen. Eine ihrer wichtigsten zur Einführung in die Lehre des Buddha hieß Im Lichte des Meisters. In dieser Hinsicht war die Altbuddhistische Gemeinde selbst ein Licht, ja sie ist es eigentlich immer noch, denn in ihren Schriften und den Werken Georg Grimms wirkt das geistige Erbe der Gemeinde fort. Vielleicht, so hoffe ich, sind auch diese Anmerkungen dazu ein Beitrag. |