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Arthur Schopenhauer

Redaktion

Schopenhauers Weg zum Buddha

Erst ziemlich spät lernte Arthur Schopenhauer eine Religion etwas näher kennen, die dann mehr und mehr sein Interesse fand -  den Buddhismus. Jedoch waren die Quellen, aus denen er sein Wissen bezog, noch unzureichend und bei weitem nicht mit denen zu vergleichen, die heute als Information über den Buddhismus zur Verfügung stehen. So waren zum Beispiel unter ihnen die Bücher eines englischen christlichen Geistlichen, der zur Missionierung einige Zeit im buddhistisch geprägten Ceylon / Sri Lanka lebte.(1) Deshalb schrieb nicht ohne Bewunderung der Buddhismus-Forscher Edward Conze in seinem Buch über die Geschichte des Buddhismus:

"Obwohl Schopenhauer nur zu ganz wenigen Originalzeugnissen Zugang hatte, schuf er das buddhistische Gedankengebäude von kantianischen Voraussetzungen aus mit einer solchen Genauigkeit nach, daß man geradezu glauben könnte, er erinnere es aus einem früheren Leben."(2)

Jedoch die Quellen, die ihm zugänglich waren, wertete Schopenhauer intensiv aus, wobei er zu dem Ergebnis kam:

"Wollte ich die Resultate meiner Philosophie zum Maßstabe der Wahrheit nehmen, so müsste ich dem Buddhaismus den Vorzug vor den anderen zugestehen. Jedenfalls muss es mich freuen, meine Lehre in so großer Übereinstimmung mit einer Religion zu sehen ...

Diese Übereinstimmung muss mir aber um so erfreulicher sein, als ich, bei meinem Philosophieren, gewiss nicht unter ihrem Einfluss gestanden habe. Denn bis 1818, da mein Werk erschien, waren über den Buddhaismus nur sehr wenige, höchst unvollkommene und dürftige Berichte in Europa zu finden ...  "(3)

Auch aus heutiger (kritischer) Sicht ist trotz mancher Unterschiede viel Übereinstimmendes zwischen den Lehren des Buddha und Schopenhauers festzustellen. So zitierte der weithin als sehr kompetent geltende Indologe und Religionswissenschaftler Helmuth von Glasenapp, den buddhistischen Philosophen Aryadeva:

 "Die Buddhas [also nicht nur der historische Buddha, sondern auch dessen Vorgänger] charakterisieren ihre Ethik (dharma) mit kurzen Worten als ahinsa und das Nirvana als nichts anderes als Leerheit (shunyata). Hier (im Buddhismus) gibt es nichts anderes als dieses beides." Sich auf dieses Zitat beziehend, erläuterte von Glasenapp:

"Das heißt: Die Quintessenz aller Ethik besteht in der Ahinsa. Dieses Wort, das auch von Gandhi viel gebraucht wird, heißt an sich Nicht-verletzen, Nicht-schädigen, Niemand etwas zuleide tun, hat aber einen viel weiteren positiven Sinn, es bezeichnet auch die Freundlichkeit, das Wohlwollen, die sich im aktiven Verhalten gegen andere Wesen (einschließlich der Tiere), äußern.

Es bedarf keiner weiteren Ausführungen darüber, daß das, was hier als Kern des Buddhismus herausgestellt wird, sich mit dem Kern von Schopenhauers Lehre in völliger Harmonie befindet. Denn Schopenhauer gründet seine Moral auf das Mitleid, das nicht bloß mich abhält, den Andern zu verletzen, sondern mich antreibt, ihm zu helfen."(4)

Um zu zeigen, wie sehr auch in metaphysischer Hinsicht Schopenhauers Philosophie mit der Lehre des Buddha übereinstimmt, zitierte von Glasenapp aus dem  zweiten Band von Schopenhauers Hauptwerk, wo es um das Ziel der  Erlösung, im Buddhismus Nirvana genannt, geht, und der Philosoph zu seiner Erlösungslehre eindeutig klarstellt, dass sie - wie die Lehre des Buddha - kein Abgleiten in den Nihilismus bedeutet: 

"Sie kann hier nämlich nur von dem reden, was verneint, aufgegeben wird: was dafür aber gewonnen, ergriffen wird, ist sie genötigt als Nichts zu bezeichnen, und kann bloß den Trost hinzufügen, daß es nur ein relatives, kein absolutes Nichts sei. Denn, wenn etwas nichts ist von allem dem, was wir kennen; so ist es allerdings für uns überhaupt nichts. Dennoch folgt hieraus noch nicht, daß es absolut nichts sei, daß es nämlich auch von jedem möglichen Standpunkt aus und in jedem möglichen Sinne nichts sein müsse; sondern nur, daß wir auf eine völlig negative Erkenntnis desselben beschränkt sind; welches sehr wohl an der Beschränkung unseres Standpunktes liegen kann."(5)

Auch in einem Brief vom 27. Februar 1856 an  Adam von Doss, einem seiner engsten Anhänger, hob Schopenhauer hervor, wie "wundervoll" die Überstimmung seiner Philosophie mit der Lehre des Buddha sei, "zumal ich 1814-1818 den 1sten Band [des Hauptwerkes] schrieb, und von dem Allen noch nichts wußte, noch wissen konnte".(6) So ist es verständlich, wenn er sich gegen Ende seines Lebens in Briefen und Gesprächen sogar als "Buddhaist" bezeichnete.

Seine tiefe Verehrung des Buddha, dem "Siegreich-Vollendeten", und dessen "Lehre unserer allerheiligsten Religion", brachte Schopenhauer auch äußerlich zum Ausdruck, indem er in seiner Wohnung deutlich sichtbar auf einer Konsole eine Buddha-Statue aufstellte, "so daß Jeder beim Eintritt  schon sieht, wer in diesen ´heiligen Hallen` herrscht".(7)

Buddha

Der Buddha *

Anmerkungen

(1) Es handelte sich um Robert Spence Hardy, von dem Schopenhauer einige Schriften über den Buddhismus besaß und die er weiterempfahl (s. Schopenhauer, a. a. O., Band 5: Randschriften zu Büchern, S. 328 f.).

(2) Edward Conze, Eine kurze Geschichte des Buddhismus, übers. und hrsg. von Friedrich Wilhelm,
 Frankfurt a. M. 1984, S. 161.

(3) Arthur Schopenhauer , Werke in zehn Bänden, Zürich 1977, Band III: Die Welt als Wille und Vorstellung II, S. 197.

(4) Helmuth von Glasenapp, Das Indienbild deutscher Denker, Stuttgart 1960, S. 100.

(5) Ebd. Das von Glasenapp gebrauchte Schopenhauer-Zitat ist auch zu finden in: Schopenhauer, Werke, a. a. O., Band IV: Die  Welt als Wille und Vorstellung II, S. 716.

(6) Arthur Schopenhauer , Gesammelte Briefe, hrsg. von Arthur Hübscher, 2. Aufl., Bonn 1987, S. 384.

(7) Ebd., S. 273 und 391.

Obwohl Schopenhauer die Übereinstimmung seiner Philosophie mit der Lehre des Buddha "wundervoll" nannte, sei darauf hingewiesen, dass die vor allem in Schopenhauers Hauptwerk in Anlehnung an Kant dargelegte Willensmetaphysik im alten Buddhismus nicht zu finden ist. Das gilt besonders im Hinblick auf die zentralen Aussagen Schopenhauers zum metaphysischen Willen, der sich (als Kants Ding an sich) in allen Erscheinungen, also auch im Individualwillen, manifestiert. Dementsprechend verneint Schopenhauer die Willensfreiheit, was sich jedoch mit der Lehre des Buddha, wohl nicht vereinbaren lässt, da der alte Buddhismus individuelle Willensfreiheit voraussetzt. In dieser Hinsicht scheint Schopenhauers Philosophie mit den altindischen Upanishaden, insbesondere dem Oupnekhat, mehr als mit dem alten Buddhismus übereinzustimmen, denn das Brahman in den Upanishaden und der metaphysische Wille in Schopenhauers Philosophie haben wahrscheinlich ähnliche Bedeutung (s. dazu   > Erklärung).

(*) Obiges Foto ist aus: Arthur Schopenhauer , Leben und Werk in Texten und Bildern, hrsg. von Angelika Hübscher, Frankfurt a. M. 1989, S. 291. Dort wird angemerkt, dass Schopenhauers Buddha tibetischer Herkunft gewesen sei, während der hier abgebildete als siamesisch gelte. In jedem Falle könne das Bild dieses Buddha als Abbild von Schopenhauers tiefer Verehrung für ´unsere allerheiligste Religion`, für den ´Siegreich-Vollendeten, den wahren und vollendeten Buddha` gelten.

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